Nie wieder dick..! Facts and fakes!

Victoza, Trulicity, Wegovy, Ozempic: Essen ohne Reue?

Als vor einem Jahr Elon Musk verkündete, er habe durch Semaglutid (Ozempic, Wegovy) erfolgreich an Gewicht abgenommen, ging der Hype um diese Therapie des Übergewichts erst richtig los. Medial wurde sogar der Eindruck erweckt, diese Therapie „löse“ all unsere Gewichtsprobleme: endlich essen ohne Reue! Ein Hype wurde in Gang gesetzt, der Ärzte, die sich mit der Therapie des Diabetes beschäftigen (Diabetologen), wirklich überrascht hat.

Semaglutid ist eine Nachbildung des Darmhormons GLP- 1, das nach jeder Mahlzeit im Verdauungstrakt produziert wird und Appetit und Sättigungsgefühl beeinflusst, indem es die Entleerung des Magens verzögert. Darüber hinaus hemmt es unter anderem (siehe Abb.1) die Freisetzung des in der Leber gespeicherten Zuckers und senkt so den Blutzuckerspiegel. Aber während GLP-1 nur kurzfristig wirkt und dann rasch wieder abgebaut wird, bleibt Semaglutid wesentlich länger aktiv.

Abb.1. Glucagon-like-Peptide 1-Eiweiße wirken („Agonisten“) an dem Rezeptor (Signal-Empfänger) von Zellen.

Abb.1: Glucagon-like-Peptide 1-Eiweiße wirken („Agonisten“) an dem Rezeptor (Signal-Empfänger) von Zellen.

Mit Exenatid (Byetta™) wurde dem ersten GLP-1-Agonisten im Jahr 2006 die Zulassung in der Europäischen Union (EU) erteilt. Im Jahr 2009 erhielt dann Liraglutid (Victoza®) eine Zulassung. Heute sind zusätzlich Dulaglutid (Trulicity®), Lixisenatid (Lyxumia®), Semaglutid (Ozempic® und Wegovy®) und Tirzepatid (Mounjaro®) in der EU zugelassen Diese Medikamente unterbrechen das übertriebene Verlangen nach Nahrungsaufnahme und stoppen einen aus der Kontrolle geratenen Appetit. (PZ18.12.2023, T.Dingermann)

GLP1 wurde Ende der 70iger Jahre von der Arbeitsgruppe um Prof. Creutzfeld in Göttingen entdeckt. Wenn wir etwas essen, wird dieses Hormon durch die Magendehnung freigesetzt und gibt dem Hirn die Information, dass jetzt Nahrung in den Körper einfließt, dann setzt die Sättigung langsam ein. Gibt man dieses Hormon jetzt in Form einer Injektion in höherer Dosierung, wird eine Dauersättigung im Gehirn provoziert, die Magendehnung ist nur schwer möglich. Wir essen also deutlich weniger. Was wir allerdings schon sehr lange wissen, ist, dass diese Therapie anfänglich sehr gut funktioniert bezüglich der Gewichtsreduktion, aber nach ein bis anderthalb Jahren nimmt diese Wirkung ab. Allerdings, und das ist für die Therapie des Diabetes wichtig, bleiben die Blutzuckerspiegel lange in einem guten Bereich unter dieser Therapie.

Abb.2. Ballaststoffreiche Ernährung stimuliert auch das körpereigene GLP-1: „Essen entspannt und sättigt“.

Abb.2: Ballaststoffreiche Ernährung stimuliert auch das körpereigene GLP-1: „Essen entspannt und sättigt“.

Nun ist ein neues Medikament auf den Markt gekommen, Tirzepatid (Mounjaro), das einen doppelten Effekt hat. Dieses Medikament hat die Wirkung eines GLP1-Hormones, also wie Semaglutid, und eines weiteren Hormons, des „Gastro-Intestinal Peptid“, GIP. Unter dieser Therapie nehmen die Patienten, wenn sich man die Studienlage anschaut, bis zu 20 % des Ausgangsgewicht ab, mit Semaglutid nur 14%. Dies ist fast schon so viel wie nach einer Magenoperation bei der Therapie der Adipositas. Allerdings, und das bestätigen jetzt Studien, geht das Gewicht wieder nach oben, sobald die Medikamente abgesetzt werden (JAMA. 2024;331(1):38-48)

Abb.3: Wirkmechanismus Die körpereigenen Hormone Glukagon-ähnliches Peptid 1

Abb.3: Wirkmechanismus Die körpereigenen Hormone Glukagon-ähnliches Peptid 1 (GLP-1) und Glucose-abhängiges insulinotropes (Insulinsekretion förderndes) Polypeptid (GIP) beeinflussen insbesondere Funktionen des Pankreas (Bauchspeicheldrüse), des Magens und des Gehirns. Als dualer GLP-1/GIP-Agonist imitiert Tirzepatid (Mounjaro) die Wirkungen der beiden Peptidhormone und führt bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 zu einer verbesserten Blutzuckerkontrolle sowie zur Gewichtsabnahme. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/11/30/tirzepatid-macht-semaglutid-konkurrenz

Also sind diese Medikamente keine „Game Changer“, vielmehr ist es eine Therapie, die Patienten unterstützt, das Gewicht zu reduzieren, wenn sie bereits eine Ernährungsumstellung begonnen und vermehrt Bewegung in ihren Alltag eingebracht haben.

Ein anderes Grundproblem der Therapie mit diesen Medikamenten ist, dass sie zwar zur Gewichtsabnahme führen durch weniger Essen, dabei wird aber nicht nur Fett-, sondern auch Muskelmasse abgebaut. Ein ganz wesentlicher Effekt, denn die Muskelmasse definiert die Verbrennungsleistung eines Körpers (Grundumsatz): wird die Therapie beendet, wird mehr Fett eingelagert bei deutlich geringerer Muskelmasse. Die Gewichtszunahme kann also danach deutlich höher ausfallen, als das Gewicht vor der Therapie war (Ärztezeitung, 27.12.2023). Bei stark übergewichtigen Personen ist dieser Effekt anfangs gering, da weniger Essen verbunden ist mit stärkerem Fettabbau. Bei Personen mit fast normalem Gewicht ist diese Wirkung teilweise noch ausgeprägter. Wird dann nach dieser „Hungerkur“ wieder mehr gegessen, steigt das Gewicht stärker an = „Jojo-Effekt“.

 

„Facts and Fakes“ zur Ernährung

Die Zeitungen und das Internet sind wieder voll mit Geschichten zur Gewichtsabnahme, es werden einfache Hilfsmittel präsentiert, Altes und Bewährtes wiederholt und dennoch bleibt die Frage, was wirkt denn wirklich oder gibt es ein einfaches Prinzip, was uns hilft, Gewicht zu reduzieren…oder besser, was kann dauerhaft helfen, unser Gewicht zu reduzieren und vor allem das Gewicht zu halten?

 

Wasser vor dem Essen trinken

Die Magendehnung sorgt physiologischer Weise für Sättigung. Deshalb ist es auch erklärbar, dass das Trinken von Wasser vor dem Essen ein Sättigungsgefühl auslöst. Zwei Gläser Wasser vor dem Essen reichen aus, dass ungefähr 22 % weniger Kalorien bei der nächsten Mahlzeit eingenommen werden. (J Am Diet Assoc 2008 ;108:1236-1239.)

Eine beliebte Abnehm-Methode ist, mehrere Mahlzeiten über den Tag einzunehmen. Damit sollen Hungergefühl und damit „Fressattacken“ vermieden werden. Vor mehr als 20 Jahren war dieses Konzept bei der Behandlung des Diabetes sehr beliebt. Allerdings zeigte sich schon damals, dass bei Diabetespatienten das Gewicht deutlich stärker ansteigt. Gleiches gilt auch für Nicht-Diabetiker, wie eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigen konnte: Personen, die bis zu sechs Mahlzeiten über den Tag hin verteilt zu sich nahmen, wogen am Ende deutlich mehr als solche, die drei Mahlzeiten zu sich genommen hatten. Wichtig war auch der Zeitpunkt der Energiezufuhr: Personen, die am meisten abends zu sich nahmen, wogen am Ende mehr als diejenigen, die morgens gut frühstückten. Der Zeitpunkt der Kalorienaufnahme ist also deshalb sehr wichtig: morgens essen wie ein König… (J Nutr. 2017 Sep;147(9):1722-1728).

 

Welche Rolle spielt der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme im Rahmen von Diäten? Sollte man abends mehr essen oder morgens mehr essen, wenn man doch insgesamt weniger ist?

Dieser Frage ging eine aktuelle Studie nach, die den Zeitpunkt der Kalorienaufnahme auf die allgemeine Gewichtsabnahme bei einer Kalorien- reduzierten Diät untersuchte. Während die eine Gruppe 45 % der Tagesenergie morgens zu sich nahm, aß die andere Gruppe 45 % der Gesamtenergie am Abend. Interessanterweise unterschied sich die Gewichtsabnahme nicht in beiden Gruppen, es spielt also keine Rolle, ob man bei einer Diät morgens oder abends die meiste Energie zu sich führt. Allerdings: diejenigen, die morgens frühstückten, hatten eine deutlich bessere Sättigung über den Tag hin und waren weniger hungrig. Diese Erkenntnis dürfte zur besseren Gewichtsabnahme unter alltäglichen Bedingungen führen (Cell Metabolism 2022,34, 1472–1485).

 

Kalorien sind nicht gleich Kalorien: Smoothies

Früher waren es Saftkuren, die gerne zur Gewichtsreduktion eingesetzt worden, heute sind es „Smoothies“. Bekannt ist aber, dass flüssige Kalorien weniger lange satt machen als feste Mahlzeiten: die Magendehnung ist es hier wiederum, beziehungsweise die Verdauung der festen Mahlzeiten im Magen, die die Sättigung verursachen.
In einer Studie wurde nun untersucht, ob der Genuss von Obst vor den Mahlzeiten die Energiezufuhr zu den Mahlzeiten drosseln hilft. In dieser Studie wurde vor der Mahlzeit 125 g (=52 kcal) in Apfelstücke zu sich genommen. Die Teilnehmer reduzierten ihre Kalorienaufnahme spontan um 200 kcal, verglichen mit einer Gruppe ohne diese Vormahlzeit. Wurde stattdessen Apfelmus zu sich genommen, reduzierte sich die Energie nur um 100 kcal. Apfel-Smoothies oder Apfelsaft hatten keinen Effekt auf die Sättigung. (Appetite. 2009 Apr;52(2):416-22).

 

Fast food oder slow food?

Wie bereits beschrieben, ist eine langsame Magendehnung während des Essens ein ganz wichtiger Effekt, um das Gefühl „Sättigung“ auszulösen. Wir alle kennen ja Fast Food: eine schnelle Pizza, ein Hamburger, Pommes – lecker, es kann schnell gegessen werden. Diese Nahrungsmittel sind in der Regel frei von natürlichen Ballaststoffen, die für unseren Darm und für unsere Sättigung ganz wichtig sind.

Man spricht deshalb von hoch verarbeiteten Nahrungsmitteln. Diese haben in der Regel eine höhere Energiedichte. Eine Studie ging der Frage nach, welchen Einfluss diese Nahrungsmittel haben, wenn sie über den Tag hin gegessen werden. Eine Studie (Cell Metabolism 2019, 30, 67–77) hat gezeigt, dass Menschen, die hochverarbeitete Lebensmittel zu sich nehmen und so viel davon essen konnten, wie sie wollten, rund 500 kcal am Tag mehr konsumieren – und dementsprechend mehr zunehmen. Menschen, die wenig verarbeitete Lebensmittel konsumierten, waren, nahmen hingegen im selben Zeitraum ab. In dieser Studie hatten die Diäten dieselbe Menge an Kalorien, Zucker, Fett, Ballaststoffen und Mikronährstoffen – und trotzdem hat die Gruppe, die hochverarbeite Lebensmittel konsumierte, zugenommen. Was war also anders? Die Essgeschwindigkeit. Und die hängt stark mit der Textur der Lebensmittel zusammen. Hochverarbeitete Lebensmittel sind viel weicher, man muss sie weniger kauen. Die Teilnehmer an dieser Studie verzehrten in Gramm/Minute als auch in kcal/Minute mehr, wenn sie Lebensmittel mit soften Texturen konsumierten.

Wie schon unserer Mütter uns immer wieder beim Essen sagten: „Kind, iss langsamer!“ oder anders gesagt: „Kauen macht schlank!“

 

Jojo-Effekt: lieber langsam abnehmen?

Was wir schon lange wissen: jede Diät führt in der Regel zu einer Veränderung des Gewichtes, wenn Kalorien eingeschränkt werden. Manche machen Crush – Diäten, andere versuchen langfristig abzunehmen. Und allen gemeinsam ist, dass nach Beendigung der Diät das Gewicht wieder nach oben geht, unabhängig wie schnell man abgenommen hat- also „Jojo“ lässt grüßen.

Allerdings, so konnte eine Studie zeigen, ist eine schneller Gewichtsabnahme effektiver. Diejenigen, die schneller abnehmen, erreichen das Ziel eben schneller, die Ausdauer und die Motivation sind besser. Entscheidend ist allerdings, nach der Gewichtsabnahme das Gewicht auch zu halten – und das ist das Problem. (International Journal of Clinical Practice December 2013 https://doi.org/10.1111/ijcp.12300)

 

Intermittent Fasting – eine „Mode“?

Unterschiedliche Begriffe werden benutzt für diese Fastenform: Intermittierendes- oder Intervall-Fasten. Es ist schwierig, hier genau zu untersuchen, wie jetzt diese oder jene Fastenform wirksam ist. In einer Studie konnte jedoch gezeigt werden, dass ein Modell aus alternierendem Fasten an ein oder zwei Tagen pro Woche, verglichen mit einer Energierestriktion gleichmäßig auf die Woche verteilt, keinen signifikanten Unterschied erbrachte hinsichtlich der Gewichtsreduktion (JAMA Intern Med 2017,177:930-938)

In einer vor zwei Jahren erschienenen Übersichtsarbeit wurde dies auch bestätigt. Das Problem beim Fasten ist, dass aufgrund der raschen deutlichen verringerten Energiezufuhr ein Eiweißverlust auftritt, d.h. die Muskelmasse schwindet (siehe oben). 
D.h. die Gewichtszunahme und der Yo-Yo Effekt sind danach deutlich stärker. Anders übersetzt: in der Ruhe liegt die Kraft, Ausdauer ist gefragt, um das Gewicht zu reduzieren und auch zu halten. (Nutrients, 2022, 25;14(23):5022).

 

FAZIT: Es gibt keine „One-fits-all“-Konzepte

Die Gewichtsnormalisierung sollte im Vordergrund stehen: es braucht also Geduld, Zeit und ein Konzept. Im Vordergrund sollte das Wohlbefinden stehen, das durch Essen und Bewegung erreicht werden kann.

Im nächsten Stoffwechselbrief erfahren Sie mehr über das Thema Bewegung, Ernährung und Sport: „In der Ruhe liegt die Kraft“ oder „Trainieren wie die Norweger“

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